Eine neue Dimension von Präzision und Perfektion
Priv.-Doz. Dr. med. Achim Hellinger und sein OP-Team operieren am Klinikum Fulda mit dem daVinci-Roboter-System
Priv.-Doz. Dr. med. Achim Hellinger ist Chefarzt der Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Endokrine und Onkologische Chirurgie des Klinikums Fulda. „Für einen operativen Eingriff im Bauchraum gibt es aus Sicht des Chirurgen verschiedene Techniken“, erläutert der Arzt, der zu den Besten seiner Zunft gehört. Hellinger präferiert die sanfte, minimal-invasive Methode. Dabei hält der Chirurg den Eingriff möglichst klein und operiert wie durch ein „Schlüsselloch“ hindurch. Doch diese Methode stößt bei komplexen Operationen an Grenzen. In diesen Fällen operiert Hellinger nun mit Hilfe eines Roboter-assistierten Operationssystems, dem „daVinci-System“ der Firma Intuitive. Das Klinikum Fulda verfügt seit 2022 über einen „daVinci-Roboter“ der neusten Generation. Dieser OP-Roboter ermöglicht komplexe minimal-invasive chirurgische Eingriffe mit einer bisher nicht erreichten Präzision. Dies hat positive Auswirkungen für den Patienten: Bösartige Tumore werden zielgerichtet und präzise entfernt, das umliegende Gewebe wird geschont und der Funktionserhalt benachbarter Organe wird nahezu nicht beeinträchtigt.
Der Roboter ist ein Werkzeug in den Händen des Chirurgen
Priv.-Doz. Dr. Hellinger beugt sogleich einem Missverständnis vor: Der Roboter ist keine autonome Maschine, die eigenständig operiert, sondern sie ist ein weiteres Werkzeug in den Händen und unter der Kontrolle des Chirurgen sowie seines OP-Teams. „Die Technik ersetzt den Menschen nicht, sondern sie übernimmt exakt die wohlgesteuerten Handgriffe des Operateurs und setzt diese mit absoluter Präzision um. Der Operateur hat zu jeder Zeit die volle Kontrolle über alle Instrumente des daVinci, und das gesamte OP-Team ist während der Operation immer ganz nah am Patienten“, schildert Dr. Hellinger.
In Fulda kommt das neueste und beste System zum Einsatz
Das am Klinikum Fulda angeschaffte Roboter-assistierte Operationssystem vom Typ daVinci Xi ist die derzeit neuste und beste Version dieser erprobten und ausgereiften Technologie. Das Operationssystem besteht aus einer Steuerungs-Konsole und einem Patientenmodul mit vier interaktiven und in allen Ebenen beweglichen Instrumentenarmen („Roboterarme“). Komplettiert wird das System durch ein Videosystem, das mittels Bildgebungs- und Energietechnologie die Kommunikation zwischen den einzelnen daVinci-Systemkomponenten ermöglicht.
Erst menschliche Erfahrung und Routine machen den OP-Roboter zum Fortschritt
Doch der Einsatz des OP-Roboters steigert für sich genommen noch nicht die operative Qualität. Erst unter der Anwendung durch den gleichermaßen erfahrenen wie geschulten Chirurgen wird der Roboter für die Patienten zum Fortschritt. Und die Erfolge seien überzeugend, berichtet Dr. Hellinger. „In der Verbindung mit der Expertise des Chirurgen erreichen wir mit dem Roboter eine neue Dimension von Präzision und Perfektion“, beschreibt Dr. Hellinger die qualitative Veränderung. Selbst kleinste Bewegungen des Operateurs, der die vier Arme des Roboters bedient, werden zitterfrei – quasi mechanisch still – punktgenau umgesetzt. Der Roboter perfektioniere zugleich die Visualisierung. Die Sicht auf das Operationsfeld sei ebenso wie auf die Durchblutung von Organen phänomenal. Das System weise eine im Vergleich zum menschlichen Auge und zu den herkömmlichen endoskopischen Optiken deutlich verbesserte 3D-Bildqualität auf. Hinzu komme die sehr hohe Auflösung, die eine sehr starke Vergrößerung ermögliche. Durch die integrierte Fluoreszensbildgebung werden beispielsweise für das menschliche Auge nicht sicher erkennbare kleinste Tumoranteile oder sogenannte Wächterlymphknoten sichtbar gemacht. „Der Roboter hebt in einem rein mechanisch-physischen Sinne die menschliche Begrenzung auf“, fasst Hellinger in einem Satz zusammen.
Die Aufenthaltsdauer im Krankenhaus sinkt
Eingesetzt wird der daVinci OP-Roboter in der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie vor allem bei gut- und bösartigen Erkrankung des Magen-Darm-Traktes sowie bei Erkrankungen der Bauchdecke (Hernien). Aufgrund der minimalen Schnittführung verläuft die Heilung nach der Operation deutlich schneller. Im Vergleich zu Eingriffen mit der bisherigen Technik verringert sich die Aufenthaltsdauer im Krankenhaus deutlich. Darüber hinaus erfordert der Einsatz des Roboters eine stringente Standardisierung der OP-Abläufe. Damit sinkt auch die Zahl möglicher Komplikationen. Das Klinikum Fulda ist zudem – gemeinsam mit den Universitätsklinika Charitè Berlin, Magdeburg und Erlangen – an einer Studie beteiligt, die durch Einsatz eines digitalen Standardisierungsmoduls die Parientensicherheit weiter verbessert.
„Wir mindern die Risiken systematisch“
Jede Operation gehe mit gewissen Risiken einher, erläutert der Chirurg, auch solche, die mit dem daVinci durchgeführt werden. „Aber wir mindern die Risiken systematisch für alle unsere Patienten unabhängig vom konkreten OP-Verfahren. So sollten Krebspatienten vorrangig durch zertifizierte Onkologische Zentren versorgt werden, wie wir sie am Klinikum Fulda aufgebaut haben. Denn die Behandlung durch zertifizierte Onkologische Zentren erhöht die Wahrscheinlichkeit, länger zu überleben, erheblich. Dies belegt eine große Studie der AOK (WiZen-Studie), die vom Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung an der Technischen Universität Dresden durchgeführt wurde. Zudem standardisieren wir die OP-Verfahren, um die Qualität der Medizin und unserer Eingriffe weiter zu steigern. Ungeachtet dessen sind und bleiben Routine, Expertise, Wissen, Können und ärztliche Kunst, die durchaus mit den Jahren reifen, ein unersetzlicher Schatz“, beschreibt Dr. Hellinger die Vielfalt der Faktoren, die dem Patienten in ihrer ganzen Spannbreite verborgen bleiben, aber im chirurgischen Alltag höchste Sicherheit schaffen.
Die robotische Operation hat auch Grenzen
Priv.-Doz. Dr. Hellinger empfiehlt die robotische Operation. Vor allem für komplexe Eingriffe sowie insbesondere für Eingriffe an bösartigen und ausgewählten gutartigen Tumoren sei sie geeignet. Aber es gebe auch Grenzen, wie beispielsweise eine „nicht geeignete Anatomie“. „Das Werkzeug braucht Platz“, begründet Hellinger die Einschränkung. Manche Menschen haben „einen zu kleinen Bauchraum“, um den daVinci dort einsetzen zu können. Die Kamera müsse in einer bestimmten Position an das Ziel herangeführt werden und der Roboter sich mit seinen Armen bewegen können.
„Wir betrachten immer den ganzen Menschen“
„Wir betrachten immer den ganzen Menschen. Wir operieren organ- und funktionserhaltend. Die Qualität des Eingriffs und die Sicherheit des Patienten stehen ganz klar im Fokus.“ Hellinger fasst den Abwägungsprozess, der jedem Eingriff im Klinikum Fulda vorausgeht, zusammen: „Die Frage, ob wir im individuellen Fall einen Patienten robotisch, minimal-invasiv oder klassisch operieren, stellen wir uns im Kontext der individuellen Umstände mit all ihren Variablen allein mit dem Ziel, dem einzelnen Menschen im konkreten Fall die beste Therapie angedeihen zu lassen“.