Revolutionäre Operationstechnik setzt neue Maßstäbe in der Herzchirurgie

Mit der weltweit wohl einzigartigen Kombination von Bypass-OP und Herzklappenersatz – ohne das Brustbein zu eröffnen – wird im Klinikum Fulda erneut ein großer Fortschritt in der Herzchirurgie erreicht. Prof. Dr. Hilmar Dörge und sein Team sind internationaler Vorreiter im Bereich der innovativen minimal-invasiven Methoden. Als Pioniere des schonenden Verfahrens der minimal-invasiven Bypass-Operation verbessert das Herz-Thorax-Team die Methode stetig weiter: aktuell durch die Kombination mit der Herzklappen-Chirurgie. Herzchirurgen aus der ganzen Welt hospitieren am Klinikum Fulda, um diese innovative Operationsmethode zu erlernen. Patienten aus ganz Deutschland profitieren von schonenderen Eingriffen: kurze Liegezeit, frühe Mobilisierung und rasche Wiedererlangung von Lebensqualität und einer schnelleren Genesung.
Die Bevölkerung in Deutschland altert, und die Zahl der Eingriffe am Herzen wird weiter steigen. Die Nachricht mag auf den ersten Blick Angst hervorrufen. Sie ist aber in Wahrheit eine gute Nachricht. Denn die Herzchirurgie wird immer mehr Menschen ein längeres Leben mit weniger Einschränkungen ermöglichen. Zugleich werden die Eingriffe am Herzen mit dem Einsatz minimal-invasiver Methoden für die Chirurgie zwar immer anspruchsvoller, aber für die Patientinnen und Patienten immer schonender. Bei weiter steigenden Erfolgsraten der Operationen nimmt der post-operative Schmerz für die Patienten dank minimal-invasiver Methoden im Vergleich zu klassischen OP-Verfahren erheblich ab, und die Wiedereinübung in ein möglichst beschwerdefreies Leben beginnt für die Patienten früher und beschwerdefreier. Die Rehabilitation verläuft damit schneller und insgesamt erfolgreicher.
Klinikum Fulda setzt neue Maßstäbe
Die Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie am Klinikum Fulda hat sich unter der Leitung von Prof. Dr. med. Hilmar Dörge zu einem international anerkannten Vorreiter in der minimal-invasiven Herzchirurgie entwickelt. Durch innovative Techniken und kontinuierliche Forschung setzt das Klinikum Fulda neue Maßstäbe in der Behandlung von Patienten mit Herzerkrankungen.
TCRAT: Eine bahnbrechende Bypass-Operationstechnik
Für die Patienten schonend und für die Herzchirurgie bahnbrechend ist die von Prof. Dr. Hilmar Dörge im Jahr 2019 erstmals in Deutschland eingeführte TCRAT-Methode (Total Coronary Revascularization via left Anterior Thoracotomy) nach Oleksandr Babliak (Kiew). Diese Technik ermöglicht es, Bypass-Operationen an allen erkrankten Herzkranzgefäßen minimal-invasiv und damit ohne Öffnung des Brustbeins durchzuführen.
Bewährte Therapie, aber schonende Methode
„Die TCRAT-Methode kombiniert die bewährten Vorteile der klassischen Bypass-Operation mit den Vorzügen eines minimal-invasiven Eingriffs“, erklärt Prof. Dr. Hilmar Dörge. „Über einen kleinen seitlichen Schnitt zwischen den Rippen können wir zuverlässig Bypässe an alle betroffenen Herzkranzgefäße legen, vor allem auch an der sonst schwer zugänglichen Hinterwand des Herzens. Das ist neu.“
Weltweit einzigartige Kombination von Bypass-OP und Herzklappenersatz
Seit vergangenem Jahr bietet das Klinikum Fulda eine weitere Innovation an: Die Kombination von Bypass-Operation und Herzklappenersatz über einen einzigen kleinen seitlichen Schnitt. „Diese Operationstechnik ist außer in Kiew bislang nur in Fulda durchgeführt worden“, betont Prof. Dr. Hilmar Dörge: „Sie ermöglicht es uns, komplexe kombinierte Eingriffe noch schonender durchzuführen, auch hier bleibt das Brustbein unberührt.“
Die Klinik für Herzchirurgie des Klinikums Fulda hat sich damit zu einem internationalen Referenzzentrum für die TCRAT-Methode entwickelt. Herzchirurgen aus aller Welt hospitieren in Fulda, um diese innovative Technik kennen zu lernen. Auch die Patienten kommen von weit her, um sich in Fulda einer schonenden Herzoperation zu unterziehen.
Bereits über 700 Patienten mit TCRAT operiert
„Noch werden 98 Prozent aller Eingriffe am Herzen in Deutschland zum Legen von Bypässen klassisch nach Öffnung des Brustbeins vollzogen,“ sagt Prof. Dr. Hilmar Dörge. Am Klinikum Fulda hingegen werden mehr als 80 Prozent aller geplanten Bypass-Operationen bereits minimal-invasiv, d.h. durch einen kleinen seitlichen Schnitt durchgeführt. Seit der Einführung der Methode vor fünf Jahren wurden bereits über 700 Patienten erfolgreich behandelt.
Prof. Dr. Markus Krane, Klinikdirektor der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie am Deutschen Herzzentrum der Technischen Universität München bezeichnet die neue OP-Methode als eine „wegweisende Weiterentwicklung der Herzchirurgie.“ Das Team um Prof. Krane, das im vergangenen Jahr zu Hospitationen bei Prof. Dörge im Klinikum Fulda war, führt mittlerweile diese minimal-invasive Bypass-OP in München durch Seine Erfahrungen, so Krane, seien durchweg positiv. Er ist sich sicher, dass diese innovative TCRAT-Methode grundsätzlich Einzug in die Herzchirurgie findet.
Forschung und wissenschaftliche Weiterentwicklung
Parallel zur Einführung der TCRAT-Methode wurde ein umfangreiches Studienprogramm etabliert. Ziel ist die kontinuierliche Weiterentwicklung und Verbesserung des Verfahrens.
Die Forschungsgruppe um den leitenden Oberarzt Dr. Christian Sellin hat die früh- und mittelfristigen Ergebnisse nach der TCRAT-Operation untersucht und publiziert. Diese unterscheiden sich nicht von denen nach einer klassischen Bypass-Operation. Ferner konnte die Forschungsgruppe nachweisen, dass mit der TCRAT-Operation im Vergleich zur herkömmlichen Operation keine größeren Schäden an Lunge und Niere verursacht werden. Das alles spricht sehr für die Sicherheit der Methode.
Technische Weiterentwicklungen haben in der Fachwelt ein großes Echo hervorgerufen, so konnte etwa durch den Einsatz von speziellen Kanülierungstechniken und Instrumenten die Invasivität des Eingriffs weiter verringert werden.
70.000 Herz-Operationen im Jahr
In Deutschland werden im Jahr 70.000 Menschen am offenen Herzen operiert. „Gemeint sind klassische herzchirurgische OPs, d.h. keine kathetergestützten Herzklappeneingriffe, sog. TAVI“, so Dörge. Etwa 35.000 dieser Eingriffe seien Bypass-Operationen. Davon erfolgen nur ca. 2 Prozent der Eingriffe minimal-invasiv, d.h. über einen kleinen seitlichen Schnitt, bei denen mindestens ein schadhaftes – im Volksmund „verkalktes“ – Gefäß mit einem patienteneigenen Gefäß von einer anderen Stelle des Körpers ersetzt wird. Darin enthalten sind die Kombination des Legens eines Bypasses mit dem Einsatz einer neuen Herzklappe. Diese Operationen sind für die Patienten häufig akut überlebenswichtig oder verlängern präventiv ihre Überlebenszeit erheblich.
Wenn ein Stent nicht mehr hilft
„Zwar lassen sich Engstellen in einem Gefäß häufig auch mit einem Ballonkatheter aufweiten und mit einer speziellen Hülse, einem Stent, offen halten“, sagt Prof. Dr. Volker Schächinger, Direktor der Medizinischen Klinik I (Kardiologie) im Klinikum Fulda, „aber insbesondere wenn die koronare Herzkrankheit schon weit fortgeschritten ist, wenn Begleiterkrankungen wie Diabetes hinzukommen oder die Herzfunktion schon erheblich eingeschränkt ist, rate ich als Kardiologe in enger Abstimmung mit Prof. Dörge zu einem Eingriff am offenen Herzen, denn dieser erhöht die Überlebensrate und senkt die Notwendigkeit eines weiteren, korrigierenden Eingriffs jeweils erheblich.“
Klassische OP erfordert Öffnen des Brustkorbs
In der klassischen Bypass-Operation am offenen Herzen wird das Brustbein aufgesägt, das Herz für die Dauer der Operation stillgelegt und seine Funktion durch den Anschluss an die Herz-Lungen-Maschine mit Schläuchen über die große Öffnung ersetzt. Während dessen entnimmt ein weiterer Operateur das neue, einzusetzende Gefäß und präpariert es für dessen neue Funktion. Geeignet als Bypass-Präparat sind vor allem die Brustwandarterien und eine der beiden Unterarmarterien. Wenn der Bypass an der Hinterwand gelegt werden muss, hebt der Operateur das nicht mehr schlagende Herz hoch und kippt es nach vorne. Mit Hilfe einer stark vergrößernden Lupenbrille legt er die Stellen am Herzen, an denen das Gefäß angeschlossen werden soll, von der schützenden Fettschicht frei, die das Herz umgibt, um den Bypass schließlich legen zu können. Die Präparate, die eingesetzt werden, sind meist 15 bis 30 Zentimeter lang, meistens werden während eines solchen Eingriffs am Klinikum Fulda mindestens 3 Umleitungen gelegt.
Kleiner Schnitt statt Zersägen des Sternums
Im Prinzip bleibt der Ablauf beim minimal-invasiven Eingriff nach der TCRAT-Methode gleich. Doch anstatt das Brustbein aufzusägen, um den uneingeschränkten Zugang zum Herzen zu ermöglichen, eröffnet das OP-Team den Brustkorb lediglich seitlich zwischen der 4. und 5. Rippe unterhalb der Brust auf einer Länge von 8 Zentimeter. Knochen werden nicht zersägt. Die Schläuche der Herz-Lungen-Maschine werden peripher über die Leiste des Patienten und eine seiner Armarterien in den Körper geschoben und am Herzen angeschlossen. Wenn das Herz steht, legt der Operateur durch die kleine Öffnung drei Schlingen am Herzen an, davon jeweils eine um die Hauptschlagader, die Lungenvene und die Hohlvene. Nun kann der geschulte und in dem neuen Verfahren trainierte Chirurg das Herz mit Hilfe der Schlingen drehen und in die jeweils optimale Position legen, um alle Stellen am Herzen uneingeschränkt zu erreichen, die er mit Händen ertasten und zum Legen des Bypass vor Augen haben muss. „Ich muss tasten, ob in einem Gefäß Kalk ist. Es geht um kleine Partikel, die ich mit den Fingerspitzen fühlen kann. Und der Faden, mit dem wir nähen und den wir dann auch knoten müssen, ist so fein wie ein Haar“, beschreibt Prof. Dr. Hilmar Dörge die chirurgische Herausforderung. Dies alles muss und kann einem trainierten Operateur auch mit dem schonenden minimalinvasiven Verfahren durch die kleine OP-Öffnung gelingen. Sollte es im Verlauf der Operation zu Komplikationen kommen, kann die bewährte Sternotomie, das Öffnen des Brustbeins, immer noch angewandt werden. Der Umstieg auf die konventionelle Methode war bisher aber nur in 2 Prozent der minimal-invasiven Bypass-Eingriffe am Klinikum Fulda nötig.
„Gleiche Qualität, aber bessere Mobilisierung“
Der konventionelle Eingriff nimmt etwa 3 bis 3,5 Stunden in Anspruch, der minimal-invasive nach der TCRAT-Methode etwa 4,5 bis 5,5 Stunden. Die Sicherheit der beiden Verfahren ist identisch. Die in Fulda seit fünf Jahren bewährte und weiterentwickelte TCRAT-Methode folge schließlich demselben Prinzip wie der klassische Eingriff, allerdings in einer für den Patienten schonenderen Form, sagt Prof. Dr. Hilmar Dörge „Alle Studien zeigen: Die Qualität der Eingriffe ist gleich gut, aber die Mobilisierung des Patienten gelingt besser.“
„Schneller zurück ins Leben“
„Für uns als OP-Team ist das neue Verfahren anspruchsvoller“, sagt Prof. Dr. Hilmar Dörge, „doch für den Patienten ist es schonender.“ Nach der Operation seien die Patienten unabhängig von der Größe der Körperöffnung für 2 bis 3 Tage sehr erschöpft, aber vom 3. oder 4. Tag an gehe es den Patienten in der Regel mit der kleinen OP-Öffnung viel besser als den Patienten nach der Sternotomie: „Unsere Patienten können nach der minimalinvasiven By-Pass-OP sogleich die Arme heben, was wir ihnen nach der Sternotomie für 6 bis 12 Wochen verbieten, um das Einwirken von Scherkräften auf das zersägte und mit einem speziellen OP-Draht wieder verschlossene Brustbein zu vermeiden, denn die Knochenheilung ist erst nach drei Monaten abgeschlossen. Unsere Patienten kommen schneller zurück ins Leben!“