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Prof. Behr: „Die Implantation eines ABI braucht eine spezielle Schulung“

Prof. Dr. Behr trainiert in Tübingen mit Teams aus zehn Ländern den Eingriff an Körperspendern / Nächste Fortbildung im Herbst 2019 in Wien

Im Herbst 2018, vom 23. bis zum 25. September, hat Prof. Dr. Robert Behr, Chefarzt der Neurochirurgie gemeinsam mit der Tübinger Neurochirurgie im dortigen Anatomischen Institut zehn Ärzteteams in der Implantation eines Auditory Brainstem Implantat (ABI) geschult. Die Teams stammten aus zehn Ländern, darunter Südafrika, Argentinien, Russland, Australien, England, Spanien und Österreich. Ich sprach mit Prof. Dr. Behr über diese bisher einmalige Form der Fortbildung, ihren Sinn und ihren Erfolg.

  1. Herr Prof. Dr. Behr, was war die Bedingung, um nach Tübingen eingeladen zu werden?

Bedingung für die Annahme zum Kurs war, dass ein Team aus einem Zentrum bestehend aus einem Neurochirurgen und einem Ohrchirurgen teilnahm. Es handelt sich beim ABI um eine interdisziplinäre Aufgabe, deshalb muss ein Team intensiv zusammenarbeiten.

  1. Warum ist eine solche Schulung generell nötig? Worauf zielt die Schulung ab?

Da es sich beim ABI um eine sehr spezielle Methode handelt und die Operation am Hirnstamm generell nicht ungefährlich ist, braucht es eine gezielte Schulung, die über die normale Ausbildung hinausgeht. Bei der Schulung werden die unterschiedlichen operativen Zugänge, Risiken, anatomische Gegebenheiten, Tipps und Tricks besprochen.

  1. Können die Kollegen nun selbst solche Implantationen ausführen?

Im Prinzip sollten die Kollegen nach der Schulung in der Lage sein, ein ABI zu implantieren. Aber natürlich müssen sie noch eigene Erfahrungen sammeln. Je mehr man aber in dieser anatomischen Region schon operiert hat, etwa bei Tumoroperationen, desto leichter tut man sich tun.

  1. Brauchen die Kollegen künftig Begleitung, Unterstützung und weiteren Austausch untereinander?

Definitiv brauchen die Ärzte weiteren Austausch und Unterstützung, zum Beispiel bei der Indikationsstellung. Aber auch ein persönliches Backup im OP ist hilfreich. Wenn ein erfahrener Kollege im Hintergrund ist, ist das für die ersten Eingriffe vorteilhaft.

  1. Was kostet die Schulung und wer trägt die Kosten?

Was die Kostenseite angeht bin ich überfragt, da die allgemeine Organisation über MedEl lief, der Entwickler und Hersteller der Implantate. Der Kurs selbst war für die Teilnehmer frei, zumindest ist das bei speziellen, kleinen Veranstaltungen üblich. Ich selbst habe den wissenschaftlichen Teil organisiert.

  1. Warum fand die Schulung in Tübingen statt?

Tübingen wurde ausgewählt, weil dort ein gutes anatomisches Labor mit mehreren Präparationstischen und guter Infrastruktur besteht. Es gibt zum Beispiel Videoübertragung vom Tisch des Lehrgangsleiters an die Monitore der Teilnehmer. Dort werden auch Kurse für andere Disziplinen abgehalten.

  1. Die Übung fand an Leichen statt. Stellen sich besondere Anforderungen an die Vorbereitung der Präparate?

Die Körperspender müssen besonders bei Hirnpräparationen speziell fixiert werden, da das Hirngewebe ansonsten sehr weich ist und kaum manipuliert werden kann. Dafür gibt es in Tübingen gute Voraussetzungen.

  1. Ist eine Schulung an Präparaten ebenso gut wie ein Training am lebenden Patienten?

Die Schulung am Präparat ist ein sehr guter Einstieg, um die speziellen Verhältnisse kennen zu lernen und die einzelnen OP-Schritte zu üben. Beim echten Patienten ist es natürlich etwas anders. Das Gehirn pulsiert und auch die elektrischen Messungen können nur am lebenden Patienten durchgeführt werden.

  1. Welche anderen Methoden oder Wege zur Schulung gibt es?

Andere Schulungsmöglichkeiten für das ABI gibt es nicht. Man kann die Theorie im Buch oder in Artikeln nachlesen. Man kann bei Operationen in anderen Kliniken zusehen, aber richtig Hand anlegen geht nur bei praktischen Übungen. Das ist in der Chirurgie grundsätzlich so, auch in der Ausbildung zum Chirurgen. Da ABI-Implantationen sehr speziell und selten sind und nur an spezialisierten Zentren durchgeführt werden, wird man sie auch in der normalen Ausbildung nicht sehen, außer man arbeitet zum Beispiel in Fulda. Bei gängigen Operationen, wie an der Wirbelsäule, ist das anders.

  1. Warum ist die Tübinger Schulung offenbar anderen Lehr- und Trainingsmethoden überlegen?

Die Tübinger Anatomie ist jetzt nicht speziell anderen überlegen. Das Plus dort ist das chirurgische Trainingszentrum mit der Möglichkeit, an allen Tischen gleichzeitig per Video zu unterrichten.

  1. Wie läuft die Schulung ab?

Der Unterricht beginnt mit einem theoretischen Überblick. Wir besprechen Indikationen, Ergebnisse, Risiken, Komplikationen, technische Aspekte, Rehabilitation, Revisionseingriffe und vieles mehr. Danach kommt der erste Chirurgische Teil bis kurz vor der Implantation. Dieser wird dann nachbesprochen. Abschließend werden die eigentliche Implantation und die möglichen Fallstricke, Tipps und Tricks, die Fixierung der Sonde und andere Details besprochen. Jedes Team stellt dann allen Teilnehmern im Labor seinen Fall vor und berichtet über seine Erfahrungen, seine Probleme und die Besonderheiten des Falls. Zum Schluss gibt es eine Abschlussdiskussion.

  1. Wie lange dauert die Implantation im „Probenraum“?

Die Zeit spielt eigentlich keine Rolle. Der gesamte chirurgische Teil dauert einen Nachmittag und einen Vormittag also insgesamt acht bis zehn Stunden.

  1. Werden Schwierigkeiten simuliert, wie sie in bei der OP am lebenden Patienten auftauchen?

Schwierigkeiten gezielt zu simulieren, ist nicht möglich. Sie ergeben sich aber aufgrund der unterschiedlichen Präparate und anatomischen Situationen.

  1. Welches sind die häufigsten Fragen der Teams während der Schulung?

Am meisten werde ich gefragt, ob man anatomisch richtig liegt. Also die korrekte Stelle zur späteren Stimulation richtig gefunden und frei präpariert hat. Da alle Teams schon allgemeine OP-Erfahrungen haben, geht es speziell um die Anatomie am Hirnstamm.

  1. Was überrascht die Kollegen am meisten?

Meist sind sie davon überrascht, wie tief man präparieren muss, um an die richtige Stelle zu kommen. Auch ist die Orientierung am Hirnstamm ist nicht immer leicht.

  1. Wie sehen die weiteren Lern- oder Trainingsschritte aus?

Die Kollegen müssen das Erlernte jetzt zuhause umsetzten und eigene Fälle operieren. Sie können dabei auch auf meine Unterstützung setzen. Entweder per Mail, Videokonferenz oder auch in einzelnen Fällen im OP. Das geht aber nur nach guter Vorausplanung.

  1. Wann und wo findet der nächste Kurs statt?

Die nächste Schulung wird wahrscheinlich im Herbst 2019 in Wien sein. Das Konzept wird im Wesentlichen so bleiben. Die Abschlusskritik in Tübingen war sehr gut so weiter zu machen.

Die Fragen stellte Claus Peter Müller v. d. Grün

 

 

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