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Neuroradiologie

Einfach nur Kopfschmerzen oder doch ein Aneurysma?

Veronika Tandler über die Entfernung eines Aneurysmas aus ihrem Gehirn in der Neuroradiologie am Klinikum Fulda.

Veronika Tandler sieht blendend aus. Die Tatsache, dass sie sich vor einem Jahr im Klinikum Fulda einer Notfalloperation wegen eines lebensbedrohlichen Gefäßleidens in ihrem Gehirn unterziehen musste, erscheint unglaublich. Sie sagt, es gehe ihr heute gut. Vor allem aber hat die Kontrolluntersuchung, zu der sie ins Klinikum zu Priv.-Doz. Dr. Kai Kallenberg, dem Direktor der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie, gekommen ist, gezeigt, dass der damalige Eingriff noch immer ein Erfolg ist. Weil das bei Eingriffen im Gefäßsystem im Gehirn nicht selbstverständlich ist, wird Veronika Tandler noch für ein paar Jahre regelmäßig zur Kontrolle nach Fulda reisen. „Ins Klinikum Fulda gekommen zu sein, das ist das Beste, was mir passieren konnte“, blickt die Frau von Anfang 60 auf ihre Krankengeschichte zurück.

Klinikum Fulda koordiniert das Neurovaskuläre Zentrum Osthessen

Veronika Tandler wohnt bei Hanau. Im Sommer 2021 wurde sie mit Sehstörungen und „den stärksten Kopfschmerzen ihres Lebens“ ins Krankenhaus in Gelnhausen eingeliefert. Die Ärztin aus Gelnhausen setzte sich mit dem Klinikum Fulda in Verbindung. Denn die Akutkrankenhäuser der Region, wie z.B. Gelnhausen, Bad Salzungen oder Bad Hersfeld bilden mit dem Klinikum Fulda als dem koordinierenden Zentrum das Neurovaskuläre Netzwerk Osthessen. Die Stroke Unit („Schlaganfall-Spezialstation“) des Klinikums Fulda ist an allen 365 Tagen im Jahr für 24 Stunden dienstbereit, und das Neurovaskuläre Board, dem Neuroradiologen, Neurochirurgen, Neurologen und Gefäßchirurgen angehören, tritt regelmäßig und wenn es sein muss zu jeder Zeit zusammen, um in komplexen Fällen den besten Weg zur richtigen Therapie gemeinsam zu finden.

Am 10. August 2021 hatte eine Magnetresonanztomographie in Gelnhausen den Hinweis auf eine erschreckende Auffälligkeit in Veronika Tandlers Gehirn gegeben. Einen Tag später, am 11. August, nahm das Neurovaskuläre Team des Klinikums Fulda eine Angiographie vor, eine Aufnahme von den Gefäßen im Kopf der Patientin, und wieder nur einen Tag später folgte der Eingriff.

Das Blutgefäß war zum Ballon ausgesackt

Veronika Tandler litt an einem symptomatischen „Riesen-Aneurysma“, wie es Dr. Kallenberg beschreibt. Hinter dem rechten Auge war ein Blutgefäß gefährlich weit ausgesackt, so dass sich ein Ballon mit einem Durchmesser von etwa 2,5 Zentimeter mit Blut gefüllt hatte und auf den Sehnerv und weiteren Hirnnerven für die Augenbewegung drückte. Das erklärte die Störungen in der Wahrnehmung und der Doppelbilder. Zudem trat schon Blut in geringsten Mengen aus dem Aneurysma aus. Darauf waren die furchtbaren Kopfschmerzen zurückzuführen. Dr. Kai Kallenberg spricht von einem „Warning Leak“, einem warnenden Leck im Gefäß. Das Gefäß war nicht geplatzt, aber – so die Warnung – das hätte irgendwann passieren können. Ein Drittel der Menschen, denen im Schädel ein Aneurysma platzt, stirbt sofort daran.

Ein minimal-invasiver Eingriff verhindert das Schlimmste

Für den therapeutischen Eingriff selbst wurde die Patientin in Vollnarkose versetzt. Über die Schlagader in der Leiste führte der Neuroradiologe durch einen Schnitt von wenigen Millimetern einen Katheter ein, den er in die Halsschlagader führte und hierdurch weitere, dünnere Katheter bis zum Aneurysma im Schädel schob. Alle nötigen Instrumente werden bei solchen minimal-invasiven Eingriffen ebenfalls über diese kleine Öffnung eingeführt.

Dr. Kai Kallenberg setzte einen „Flussteiler-Stent“ ein. Das ist ein Röhrchen von etwa zwei Zentimeter Länge und einem Durchmesser von vier Millimeter aus einem Geflecht von vielen Nickel-Titan-Fäden – im vorliegenden Fall zwei Schichten aus je 16 und 36 Fäden. Der Stent wird in die Arterie eingebracht und kann fortan in seinem Inneren von Blut durchströmt werden. Auf seiner Außenseite fließt das Blut nicht mehr oder stark verlangsamt, so dass es in der ballförmigen Ausbuchtung des Aneurysmas zu gerinnen beginnt. Die gedehnte, ausgesackte Außenwand des Gefäßes wird nicht mehr überbeansprucht und schrumpft mit der Zeit. Auf seiner Innenseite des Stents bildet sich eine neue Gefäßinnenhaut.

Klinikum Fulda: Beinahe täglich ein rettender Eingriff im Gehirn

„Um den Gerinnungsprozess anzuregen, werden vielfach Platinspiralen in das Aneurysma außerhalb des Stents eingebracht. Wir haben uns aber im interdisziplinären Konsens dafür entschieden, bei der Patientin darauf zu verzichten, da uns bei diesem Notfalleingriff die Nachteile und sogar die Risiken, die mit dem zusätzlichen Abdichten des Aneurysmas verbunden gewesen wären, unvertretbar groß erschienen“, schildert Privatdozent Kallenberg die schwierigen Abwägungen und Entscheidungen, die auch während solcher Eingriffe immer wieder zu treffen sind. Denn: „In der Medizin gibt es nur selten ein „richtig oder falsch“, sondern die Abwägung von Chancen und Risiken auf der Basis abgesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse und der eigenen Erfahrung, die wir in Fulda reichlich sammeln. Denn wir hier im Klinikum nehmen beinahe täglich einen solchen oder vergleichbaren Eingriff wie bei Veronika Tandler vor – Jahr für Jahr.“

Kompetenter Umgang mit Komplikationen

Der Eingriff war erfolgreich. Sie habe von der Operation nichts bemerkt und sei einfach wieder aufgewacht, berichtet Veronika Tandler. Aber es kam zu Komplikationen. Die Natrium- und Kaliumwerte, wichtige Blutbestandteile, der Patientin waren abgesackt. Dr. Kai Kallenberg hatte damit nicht gerechnet, aber es hatte ihn schließlich auch nicht überrascht: „Das war ein riesiges Aneurysma direkt neben der Hypophyse, der Hirnanhangdrüse, die die Hormonbildung im Körper steuert. Wenn sich im Aneurysma ein Gerinnsel bildet, wie wir es beabsichtigt hatten, dann setzen biochemische Prozesse ein, wie bei einer Entzündung, die im umliegenden Gewebe Reaktionen auslösen. Bei Veronika Tandler hatten diese Reaktionen zum extrem seltenen Fall einer Hypophysen-Insuffizienz geführt. Die hormonelle Steuerung des Körpers geriet aus dem Gleichgewicht und eine Folge dessen war das Absinken der Natrium- und Kaliumwerte.“ Ein bis zwei Wochen Geduld waren gefordert, in denen die biochemische Reaktion abklang und sich die Hypophyse wieder erholte, während das Behandlungsteam auf der Intensivstation die notwendigen Maßnahmen ergriff.

Wenig später setzten „von jetzt auf gleich“, wie es Veronika Tandler schildert, abermals unerträgliche Kopfschmerzen ein. „Das war ein Hinweis auf einen abermaligen Austritt von Blut in geringen Mengen“, erläutert Dr. Kallenberg: „Es bilden sich Proteasen. Das sind Enzyme, die Proteine spalten, um zum Beispiel Gerinnsel abzubauen. Das ist eine ganz natürliche und gesunde Reaktion des Körpers. Im Fall unserer Patientin haben die Proteasen offenbar die Außenwand des Aneurysmas mit angedaut.“ Dr. Kallenberg entschloss sich in Abstimmung mit den Kollegen, einen weiteren, etwas längeren Stent vergleichbarer Bauart – aus 48 Fäden – über den schon eingesetzten Stent zu ziehen, „um eine höhere Dichtigkeit zu erzielen“. Das Kalkül ging auf.

„Ich bin froh und dankbar“

„Ich bin froh und dankbar, ja dankbar, dass es funktioniert hat“, resümiert Veronika Tandler: „Es ist gut, dass die Sanitäter mich mitnahmen und mich nach Gelnhausen fuhren. Ich hatte Glück, dass dort die Neurologin in der Notaufnahme Dienst hatte und richtig handelte. Und es ist gut, dass Gelnhausen mit dem Klinikum Fulda als dem koordinierenden Haus im Neurovaskulären Zentrum Osthessen so eng zusammenarbeitet. Es ist gut, dass und wie mir in der Neuroradiologie des Klinikums Fulda geholfen wurde. Die Ärzte, die Schwestern und Pfleger haben mir alles gut erklärt. Ich habe immer das Gefühl, dass ich hier wirklich gut aufgehoben bin. Dafür bin ich sehr dankbar.“

 

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