Gefäßeröffnende Verfahren
Eingriffe, die der Aufweitung eingeengter Gefäße dienen oder mit denen eine verschlossene Gefäßbahn wieder eröffnet wird, nimmt man bei der Behandlung des akuten Schlaganfalls vor oder man wendet sie an zur Vorbeugung eines Schlaganfalls. Bei den gefäßeröffnenden Verfahren kommen ganz unterschiedliche Methoden zum Einsatz: Medikamente zur Auflösung eines Blutgerinnsels, Ballons zur vorsichtigen Aufweitung verkrampfter Hirnschlagadern, Gefäßstützen – die sogenannten Stents – und Ballons bei Einengungen, beispielsweise im Rahmen einer Arteriosklerose. In den letzten Jahren kamen Hilfsmittel hinzu, bei denen im akuten Schlaganfall Blutgerinnsel aus den verstopften Gefäßen herausgezogen oder abgesaugt werden können.
Akuter Schlaganfall:
Unter einem Schlaganfall versteht man das plötzliche Auftreten neurologischer Symptome, die auf einen Funktionsverlust von Hirngewebe hinweisen (Sprachstörungen, Lähmungserscheinungen, Gefühlsstörungen, Sehstörungen, Schwindelerscheinungen und vieles mehr). Selten wird ein solches Ereignis durch eine Blutung im Kopf ausgelöst. In den allermeisten Fällen ist der Verschluss einer Hirnschlagader die Ursache. In der Regel sind die Ursache für den Verschluss Blutgerinnsel, die vom Herzen oder von Gefäßeinengungen in die Hirnschlagadern hochgeschwemmt werden, wo sie dann steckenbleiben.
Das historisch erste therapeutische Verfahren, bei dem anhand großer Patientenkollektive eine statistische Wirksamkeit nachgewiesen werden konnte, war die medikamentöse Auflösung des Gerinnsels durch die intravenöse Gabe eines Medikaments, die sogenannte systemische Lyse. Diese lässt sich, wenn ihre Ausschlusskriterien beachtet wurden, praktisch überall durchführen, stößt aber manchmal an die Grenzen ihrer Wirksamkeit. Patienten, die sehr schwer betroffen sind, haben meistens den Verschluss eines großen Gefäßes, der mit einer systemischen Lyse nicht zu beseitigen ist. Hier hilft nur die mechanische Entfernung des Gerinnsels aus der verschlossenen Schlagader.
Im Jahre 2015 haben mehrere hochkarätige wissenschaftliche Studien die Wirksamkeit dieses Behandlungsverfahrens belegt. Grundsätzlich stehen zwei Verfahren für die Entfernung des Blutgerinnsels zur Verfügung: Das Herausziehen mittels eines Fangkörbchens, die sogenannte Thrombektomie oder das Absaugen mittels eines relativ dicken, aber weichen Katheters, der bis in den Verschluss vorgeschoben wird, die sogenannte Thrombaspiration. Findet man als Ausgangspunkt für das Blutgerinnsel eine Gefäßeinengung, so kann diese in der gleichen Sitzung versorgt werden, in der Regel durch Aufdehnung des Gefäßes und Absetzen einer Gefäßstütze (Stent).
Die Verfahren der Thrombektomie oder Thrombaspiration sind hoch wirksam. Die ursprünglich relativ eng gesetzten Grenzen ihrer Anwendung werden daher in der klinischen Praxis immer weiter gezogen werden, weil man verhindern möchte, dass auch in scheinbar hoffnungslosen Fällen dem Patienten die Chance auf eine erfolgreiche Behandlung vorenthalten wird. Entscheidend ist die Schnelligkeit, mit der mit dem Eingriff begonnen wird. „Zeit ist Hirn – Time is brain“. Wartet man zu lange, so stirbt immer mehr Hirngewebe unwiderrufllich ab und ist verloren. Außerdem wird auch die erfolgreiche Wiedereröffnung der Gefäßstrombahn um so schwieriger, je später mit der Behandlung begonnen wird. Daher wird man nach dem computertomografischen Ausschluss einer Blutung und dem Beleg des Gefäßverschlusses schnellstmöglich zur endovaskulären Behandlung übergehen und den Patienten unverzüglich in den Angiografie-Raum (DSA) verlegen. Lediglich, wenn die Copmputertomografie zeigt, dass bereits zu viel Hirngewebe unrettbar untergegangen ist, gibt die Rekanalisierung keinen Sinn mehr.
Vorbeugung eines Schlaganfalls:
Nicht immer ist es zum Schlimmsten gekommen und der Schlaganfall hat sich bereits ereignet. Oft kündigt er sich erst durch Vorzeichen an oder man entdeckt zufällig Einengungen der Gefäße, ohne dass der Patient bisher Symptome zeigte. In diesen Fällen gilt es, eine drohende Gefahr abzuwenden. In der Medizin spricht man von Prophylaxe.
Einengungen der hirnversorgenden Gefäße können auf zwei Wegen einen Schlaganfall durch eine Durchblutungsstörung hervorrufen: Durch eine Minderdurchblutung wegen der Gefäßeinengung oder durch ein Blutgerinnsel, das an der Gefäßeinengung entstanden ist und von dort abgeschwemmt und ins Hirngewebe verschleppt wird. Ist es durch ein solches Ereignis noch zu keinen schwerwiegenden Schäden gekommen, profitieren die Patienten von einer Beseitigung der Einengung. In der Regel ist diese Behandlung operativ und wird durch den Gefäßchirurgen durchgeführt. Als Behandlungsverfahren von neuroradiologischer Seite existiert die sogenannte Stent-Angioplastie, die Aufweitung des eingeengten Gefäßabschnittes mittels eines Ballons und das Absetzen einer Gefäßstütze (Stent), die diese Aufweitung offen hält. Die Stent-Angioplastie der Halsgefäße ist dem operativen Verfahren praktisch ebenbürtig, und zwar sowohl hinsichtlich der Behandlungsergebnisse, als auch hinsichtlich der Häufigkeit unerwünschter Ereignisse während des Eingriffs. Bei jüngeren Patienten schneidet die Stent-Angioplastie sogar etwas besser ab als die offene Operation. Im Vorteil ist die Stent-Angioplastie auch bei Patienten, die bereits voroperiert sind und bei denen eine erneute Einengung aufgetreten ist (sogenannte Rezidivstenose), ferner in Fällen, bei denen wegen eines Tumorleidens die Halsweichteile bestrahlt werden mussten. Auch Patienten, bei denen bereits die Halsschlagader auf der Gegenseite verschlossen ist, werden besser mit einer Stentangioplastie versorgt, als durch eine offene Operation.
Strittig ist die Frage, ob man auch Einengungen der Halsgefäße versorgen muss, die noch keine Beschwerden machen und die zufällig entdeckt wurden. Einigkeit besteht darüber, dass man nicht jede Einengung behandlungspflichtig ist und dass die Patienten streng ausgewählt werden müssen. Je hochgradiger eine Einengung ist und je schneller sie fortschreitet, desto eher wird man sich zu einer Behandlung entschließen.
Ein ungelöstes Problem ist auch die Behandlung von Einengungen nicht der Halsgefäße, sondern der hirnversorgenden Gefäße innerhalb der Schädelbasis oder gar im Schädelinneren. Auch hierfür stehen ausgezeichnete Hilfsmittel zur Verfügung. Es handelt sich hierbei um sogenannte ballonexpandierbare Stents, also Gefäßstützen, die mit Hilfe eines Ballons entfaltet und aufgedehnt und gleichzeitig mit der Aufdehnung an die Gefäßwand anmodelliert werden. Nachdem aber eine Studie den Nutzen einer solchen Behandlung in Frage gestellt hat, ist die Anwendung dieses Verfahrens stark zurückgegangen. Anerkannte Einsatzgebiete sind aber noch die Akutbehandlung eines frischen Schlaganfalls oder Patienten, die trotz bestmöglicher medikamentöser Behandlung nicht asymptomatisch werden und ständig neue Hirninfarkte entwickeln. Man wird aber auch Patienten ohne Schlaganfall, aber mit wiederkehrenden Durchblutungsstörungen auf dem Boden einer Einengung, diese Behandlung nicht verwehren können, und sie zumindest in Einzelfällen als Heilversuch durchführen, wenn damit zu rechnen ist, dass der Patient sonst einen lebensbedrohlichen, schweren Schlaganfall erleidet.
Aufdehnung von Hirnschlagadern bei Gefäßverkrampfungen (Angioplastie beim zerebralen Vasospasmus):
Einsatzgebiet für diese Art von Behandlung sind Patienten, die im Kopf eine Blutung in den Liquorraum an der Hirnoberfläche erlitten haben, ein sogenannte Subarachnoidalblutung. Blutungsursache in diesen Fällen ist meistens eine geplatzte Gefäßwandaussackung, ein Aneurysma. Auch wenn es gelingt, die Blutungsquelle schnell zu verschließen, so übt doch das Blut, das sich auf der Hirnoberfläche und an der Hirnbasis verteilt hat, einen verhängnisvollen Einfluss auf die Hirngefäße aus. Nach wenigen Tagen kommt es zu ausgeprägten Verkrampfungen und Einengungen der Hirnschlagadern, einem sogenannten Vasospasmus. Der Patient, der die Blutung zunächst überlebt hat, wird durch den Vasospasmus hochgradig gefährdet, weil sich daraus trotz medikamentöser Behandlung lebensbedrohliche Hirndurchblutungsstörungen und Hirninfarkte entwickeln können. Wichtig ist es daher, Patienten mit diesem Krankheitsbild auf der Intensivstation regelmäßig zu beobachten und die Hirnschlagadern mittels Ultraschall zu untersuchen. Hat man Hinweise auf eine Gefäßverkrampfung, so wird in der Regel eine CT-Angiografie durchgeführt. Bestätigt sich der Verdacht, so kann man auf endovaskulärem Weg die enggestellten Gefäße vorsichtig mit einem Ballon erweitern und die Verkrampfung dadurch lösen (sogenannte Ballon-Angioplastie). Unter Umständen muss diese lebensrettende Behandlung sogar mehrfach während des Krankheitsverlaufs wiederholt werden.