Gefäßverschließende Verfahren
Die gefäßverschließenden Verfahren wurden historisch vor den gefäßeröffnenden Methoden entwickelt. Über den Katheter wurden unterschiedlichste Materialen eingegeben, um Gefäße abzudichten und beispielsweise unstillbare Blutungen zu beherrschen oder Blutungsquellen auszuschalten. Wurde diese Intervention in der Anfangszeit zunächst als lebensrettende Notfallmaßnahme angesehen, so konnte durch die technische Entwicklung das Anwendungsgebiet wesentlich erweitert werden. So gelang es, durch schonende endovaskuläre Methoden potenzielle Blutungsursachen auszuschalten, noch bevor diese dem Patienten gefährlich werden konnten. Die Verödung von gefäßreichen Tumoren insbesondere an operativ schwer zugänglichen Stellen, wie z.B. an der Schädelbasis oder im Gesichtsschädel diente der Vorbereitung des Patienten für die Operation. Es konnte dadurch nicht nur der intraoperative Blutverlust verringert werden, sondern, was fast noch wichtiger war, die intraoperative Situation wurde für den Operateur übersichtlicher und Tumoren oder Gefäßmissbildungen konnten schonender und gründlicher entfernt werden.
Seit den 1980er Jahren wagte man sich auch an die Behandlung von gefährlichen Gefäßaussackungen im Schädel (Aneurysmen). Nachdem sich die Ausschaltung von Aneurysmen mittels aufblasbarer und ablösbarer Ballons nicht durchsetzen konnte, kam dann Anfang der 1990er Jahre der Durchbruch der Aneurysmabehandlung mittels ablösbarer Platinspiralen, der sogenannten Coils. Diese Prozedur nennt man Coiling. Das Coiling trat in Wettbewerb zu dem etablierten chirurgischen Verfahren, dem Clipping von Aneurysmen. Beide Methoden haben heute ihre Berechtigung. Es ist im Einzelfall entscheidend, dass sich der Neurochirurg und der Neuroradiologie verständigen, welches der beiden Verfahren im konkreten Fall für den Patienten schonender und zielführender ist.
Auch die Behandlung von Gefäßfehlbildungen wie z. B. arterio-venösen Kurzschlussverbindungen im Gehirn oder an der Hirnhaut und von Blutschwämmen im Kopf-Hals-Bereich hat durch die endovaskulären Verfahren sehr profitiert. Hier sind es vor allem die flüssigen Verödungsmittel, die sogenannten Flüssigembolisate, die auch in die kleinsten Gefäßritzen kriechen können und die deshalb einen großen Fortschritt darstellen. Allerdings muss man in jedem Einzelfall den Nutzen der Behandlung gegenüber ihrem Rsiko abwägen.
Nicht immer muss das Gefäß dauerhaft abgedichtet werden So kann es genügen, eine Schlagader nur vorübergehend zu verschließen. Dies ist eine typische Aufgabenstellung für den sogenannten Okklusionstest. Dieses ist ein relativ aufwendiges Untersuchungsverfahren, bei dem eine Schlagader nur vorübergehend verschlossen wird, in der Regel mit einem aufblasbaren Ballon. Kandidaten für eine solche Testokklusion sind in der Regel Patienten, bei denen man aus therapeutischen Gründen eine wichtige Schlagader dauerhaft verschließen oder operativ entfernen muss. Durch die Testokklusion wird ermittelt, ob eine solche Maßnahme vom Patienten toleriert wird. Wird der Okklusionstest nicht bestanden, so muss man vor dem dauerhaften Gefäßverschluss dafür sorgen, dass vorsorglich künstliche Umgehungskreisläufe angelegt werden oder man muss das therapeutische Konzept grundsätzlich überdenken.
Vorübergehende Gefäßverschlüsse können auch während einer Operation erforderlich sein, wenn große Schlagadern verletzt werden und es dabei zu Blutungen kommen kann. Ist bereits vor einer Operation abzusehen, dass so etwas passieren könnte, so legt man vorher einen Ballonkatheter in die betreffende Schlagader ein. Kommt es dann während der Operation zu einer Blutungskomplikation, so kann über diesen Katheter das betroffene Gefäß schnell abgedichtet und die Blutung beherrscht werden.
Für den vorübergehenden oder dauerhaften Verschluss von Gefäßen gibt es eine Reihe von unterschiedlichen Hilfsmitteln, Implantaten und Materialen. Welche der Möglichkeiten eingeschlagen wird, richtet sich nach den anatomischen Bedingungen und insbesondere nach dem Durchmesser des zu verschließenden Gefäßes, bzw. der zu verschließenden Gefäße. Im Folgenden werden die wichtigsten Verfahren erwähnt, beginnend von den großen Gefäßen bis hinunter zu den kleinsten, dünnen Haargefäßen.
a) Ablösbare Ballons
Jahrzehntelang waren die ablösbaren Ballons ein schnelles, zuverlässiges und relativ einfach anzuwendendes Hilfsmittel, wenn es darum ging, große Schlagadern, wie z.B. die Halsschlagader zu verschließen. Die Ballons wurden mittels eines Führungskatheters in das zu verschließende Gefäß eingebracht und mit Flüssigkeit gefüllt, bis das Gefäß abgedichtet war. Anschließend konnten die Ballons mit einer Plastikhülse abgestreift und abgesetzt werden. Seit Mitte der 2000er Jahre wird dieses klassische Instrument der interventionellen Neuroradiologie nicht mehr praktiziert, nachdem die wichtigste Herstellerfirma ihre Produkte vom Markt genommen hat. Gleichwertiger Ersatz steht seitdem nicht mehr zur Verfügung.
Eine Sonderform der Okklusionsballons sind die Katheter mit einer fest befestigten Ballonspitze. Diese Ballons können nicht abgelöst werden und dienen nur dem vorübergehenden Gefäßverschluss (z. B. im Rahmen der Testokklusion). Über einen zweiten Arbeitskanal, der wie ein Tunnel durch den Ballon hindurchführt, lassen sich dann in dem verschlossenen Gefäß Eingriffe vornehmen. Dazu zählt das Entfernen und Absaugen von Blutgerinnseln, ebenso wie das Absetzen von Platinspiralen zum dauerhaften Gefäßverschluss.
b) Andere Gefäßverschlusssysteme
Alternativen zu den nicht mehr erhältlichen ablösbaren Ballons sind spärlich. Es stehen beispielsweise kleine Drahtkörbchen zur Verfügung, deren Oberfläche mit einer Membran überzogen ist. Diese Drahtkörbchen werden in das zu verschließende Gefäß vorgeschoben, entfalten sich dort von selbst und werden anschließend elektrolytisch abgelöst.
c) Freie Metallspiralen
Es handelt sich hierbei um Spiralen aus einer Platinlegierung mit unterschiedlicher Länge, verschiedenen Durchmessern und Konfigurationen. Diese Spiralen schiebt man über einen Mikrokatheter in das zu verschließende Gefäß, wo sie dann ihre definierte Form annehmen. Die Spiralen werden ohne und mit eingearbeiteten Textilfasern angeboten. Bei der Variante mit den Textilfasern stehen letztere wie kleine Haare aus der Spirale ab. An den Haaren bilden sich dann schnell Blutgerinnsel und der Gefäßverschluss geht rascher vonstatten. Der Nachteil dieser sogenannten freien Spiralen – ob mit oder ohne Textilfasern – ist ihre schlechte Steuerbarkeit. Wenn eine solche Spirale den Mikrokatheter erst einmal verlassen hat, kann man sie nicht mehr zurückziehen oder ihre Lage korrigieren. Freie Spiralen können daher nur angewendet werden, wenn nicht unbedingt eine millimetergenaue Platzierung erforderlich ist.
d) Ablösbare Metallspiralen
Mechanisch oder elektrolytisch ablösbare Spiralen haben nicht diesen Nachteil der schlechten Steuerbarkeit. Im Gegensatz zu den freien Spiralen sind die ablösbaren Spiralen auf einen drahtförmigen Träger fest aufmontiert. Mit Hilfe dieses Trägers werden sie vorsichtig in das Gefäß eingebracht. Wenn die Position oder die Konfiguration der Spirale nicht zufriedenstellend ist, kann sie mit dem Träger mehrfach wieder herausgezogen und wieder vorgeschoben werden, bis der Interventionalist mit dem Ergebnis zufrieden ist. Erst dann wird die Spirale mittels eines mechanischen oder elektrolytischen Verfahrens dauerhaft von ihrem Träger abgetrennt und abgelöst.
Der klassische Anwendungsbereich für die ablösbaren Spiralen ist die Behandlung von Gefäßaussackungen (Aneurysmen) im Schädelinneren. Für die Abdichtung mittels derartiger Spiralen steht eine große Zahl unterschiedlicher Spiralen mit verschiedener Länge, Konfiguration und Weichheit zur Verfügung. In der Regel wird man versuchen, das Aneurysma zunächst mit einer relativ großen und auch relativ festen Spirale auszufüllen, einem sogenannten Körbchen. Dieses Körbchen dient dann als Widerlager für die anschließend einzubringenden, in der Regel kleineren und weicheren Spiralen, die die Aussackung dann weiter ausfüllen. Man führt anschließend so viele Spiralen ein, bis das Aneurysma nicht mehr durchblutet ist. Dann ist auch die Gefahr, dass es platzen kann, gebannt.
Nicht immer gelingt die Behandlung nur mit Spiralen allein. Bei unregelmäßig geformten Aneurysmen oder bei Aneurysmen, deren Hals zum Trägergefäß sehr breit ist, besteht immer das Risiko, dass die Spiralen beim Vorschieben nicht im Aneurysma verbleiben, sondern herausquellen oder herausfallen. Um das zu verhindern, gibt es zwei Möglichkeiten: Eine davon ist das vorübergehende Füllen eines Ballons, der den Eingang zum Aneurysma verlegt. Während die Spirale vorgeschoben wird, dichtet dieser Ballon den Aneurysmahals ab und bugsiert die Spirale in das Aneurysma hinein. Unmittelbar danach muss man den Ballon wieder ablassen, damit die Hirndurchblutung nicht unnötig unterbrochen wird.
Das zweite Verfahren ist eine zylindrische Gefäßstütze aus einem Metallgeflecht oder Metallgitter, ein sogenannter Stent. Der Stent wird ähnlich wie ein Ballon vor dem Hals des Aneurysmas entfaltet und sorgt dafür, dass die Spiralen im Aneurysma verbleiben und nicht herausfallen können. Wenn das Aneurysma versorgt ist, kann man den Stent wieder bergen und aus dem Patienten entfernen. Es gibt aber auch Situationen, wo man den Stent, ähnlich wie die Spiralen, von seinem Träger ablösen muss und er an Ort und Stelle verbleibt. Nachteil dieser Variante ist die Notwendigkeit der dauerhaften Einnahme von Blutverdünnern durch den Patienten.
e) Flussteiler (Flow Diverter)
Mitte der 2000er Jahre wurden die Stents weiterentwickelt zu sogenannten Flow Divertern. Während die Stents ein zylindrisches, relativ lockeres Metallgitter darstellen, sind die Flow Diverter dicht gewebte metallische Gefäßstrümpfe. Ihr Zweck ist es, die Gefäßlichtung zu rekonstruieren und das Blut an krankhaft veränderten Gefäßabschnitten vorbeizuleiten. Durch die Einführung der Flow Diverter wurden die Möglichkeiten einer endovaskulären Behandlung noch einmal wesentlich erweitert. So ist es nun auch möglich, Aneurysmen mit einem sehr weiten Hals oder halslose, spindelförmige Aneurysmen zu behandeln, indem der Blutfluss an ihnen vorbeigeführt oder durchgeleitet wird. Flow Diverter sind allerdings sehr teuer und erfordern zudem eine lebenslange Behandlung des Patienten mit Blutverdünnern.
f) Embolisationspartikel
Die Verödung von Adern mit Hilfe kleiner Teilchen (Partikel) nennt man Embolisation. Partikel in der Größenordnung bis hinunter zum winzigen Bruchteil eines Millimeters können dafür verwendet werden, krankhafte Gefäße zu verschließen. Bei diesen Partikeln handelt es sich beispielsweise um mikroskopische Flocken, z. B. aus Polyvinylalkohol, oder um Kügelchen aus einer gelartigen Substanz. Welche Art von Partikeln sich besser eignet, hängt davon ab, welche Gefäße wo und wie dauerhaft zu verschließen sind. Gemeinsam ist allen Embolisationspartikeln, dass sie mit dem normalen Blutstrom, bzw. mit Kontrastmittel in das Zielgebiet eingeschwemmt werden, wo sie anschließend in den Gefäßen hängen bleiben und diese verschließen. Es ist daher wichtig, dass der Interventionalist die Größenordnung der zu verschließenden Gefäße ungefähr kennt. Es sollte nämlich weder passieren, dass die Partikel zu klein sind und durch das Zielgebiet einfach hindurchrutschen, oder dass sie zu groß sind und die Gefäße bereits deutlich vor der Zielregion verschließen.
Typische Anwendungsgebiete der Embolisationspartikel sind gefäßreiche Tumoren. Hat man die Partikelgröße richtig ausgewählt, so bleiben die Teilchen genau im gefäßreichen Tumorgewebe stecken. Die Durchblutung des Tumors nimmt ab. Das erleichtert die anschließende Operation. Als alleinige Behandlung von Tumoren ist die Embolisation allerdings nicht ausreichend, weil sich Tumoren über kurz oder lang wieder eine hinreichende Durchblutung aus anderen Gefäßen rekrutieren können.
Ein weiteres typisches Anwendungsgebiet von Embolisationspartikeln sind Patienten mit unstillbarem Nasenbluten. Durch Verödung der entsprechenden Gefäße auf der Nasenschleimhaut wird deren Durchblutung verringert. In den meisten Fällen lässt sich das Nasenbluten dadurch beherrschen und die Patienten müssen nicht operiert werden.
g) Flüssigembolisate
Gegenüber den Partikeln zur Embolisation haben Flüssigembolisate den entscheidenden Vorteil, dass sie auch in die kleinsten Gefäße und Gewebespalten eindringen können. Sie eignen sich daher besonders zur Behandlung von extrem gefäßreichen Tumoren oder von gefäßreichen Missbildungen, wie z. B. den arterio-venösen Malformationen des Gehirns. Die Flüssigembolisate werden mit röntgendichtem Material markiert. Auf dem Durchleuchtungsschirm kann man daher verfolgen, wie das Zielgebiet allmählich mit dem Embolisat ausgegossen wird. Hierbei muss man besonders darauf achten, dass das Material nicht entlang des Katheters zurückfließt oder Zugang zu unerwünschten Gefäßen bekommt. Daher sind diese Eingriffe relativ anspruchsvoll und erfordern große Vertrautheit mit der entsprechenden Anatomie.
Generell gilt, dass im Kopf-Hals-Bereich alle Gefäßeingriffe mit größtmöglicher Vorsicht und Umsicht durchgeführt werden müssen. Es besteht ständig die Gefahr, dass Verödungsmittel in falsche Gefäße gelangen und dort zu Gewebeschäden führen. Unerwünschte Verschlüsse von Hirngefäßen können Ausfälle wie beim Schlaganfall nach sich ziehen. Das betrifft natürlich Eingriffe an den hirnversorgenden Gefäßen im Besonderen. Aber auch Interventionen außerhalb des Schädels am Hals oder im Gesicht bedürfen entsprechender Erfahrung. Es gibt viele Querverbindungen ins Schädelinnere, die der Interventionalist kennen muss. Auch kann es immer wieder passieren, dass ein Katheter aus einer vermeintlich sicheren Position herausrutscht und in ein potenziell gefährliches Gefäß gelangt. Daher sind auch die Gefäßterritorien außerhalb des Schädels kein per se sicheres Territorium und entsprechende Eingriffe sind keine Aufgabe für Anfänger, sondern müssen von Ärzten mit Erfahrung vorgenommen werden.